Mit Fakten gegen Fakes und Desinformation
Wir können und müssen junge Menschen dabei unterstützen, digitale Souveränität zu erlangen. Ein Meinungsbeitrag von Dr. Thomas de Maizière
Dem Schriftsteller Mark Twain wird folgendes Zitat zugeschrieben: „Eine Lüge ist bereits dreimal um die Erde gelaufen, bevor sich die Wahrheit die Schuhe anzieht.“ Twain ist 1910 gestorben – da gab es weder Internet noch soziale Medien. Ich glaube, in der von der Digitalisierung geprägten Welt vollzieht sich die Verbreitung von Lüge und Wahrheit noch deutlich schneller als von ihm angenommen. Was bleibt ist der Abstand, denn: Falsche Informationen sind heute wie damals nachweislich deutlich dynamischer unterwegs als Fakten. Das eine vom anderen unterscheiden können, Quellen richtig bewerten und sich dann ein eigenes Urteil bilden können – all das sind Kompetenzen, die gerade junge Menschen heute besitzen müssen. Kinder und Jugendliche leben und lernen ganz selbstverständlich in der digitalen Welt. Und die liefert ihnen tagtäglich eine Flut von Informationen: What’sApp-Nachrichten, Instagram-Fotos, TikTok-Videos, aber auch Wikipedia-Einträge und Schulbuch-Inhalte auf den Lernplattformen.
Wie lernen sie, mit diesen Informationen umzugehen? Wie erfahren sie, welche Quellen vertrauenswürdig sind und welche nicht? Wie können sie sich davor schützen, selbst zu Multiplikatoren von Desinformationen zu werden, indem sie zum Beispiel Fotos und Videos einfach weiterschicken?
Hier kommen die Erwachsenen ins Spiel: Eltern, Lehrkräfte, Medienpädagogen, Journalisten. Wir alle können und müssen junge Menschen dabei unterstützen, digitale Souveränität zu erlangen. Allein schaffen sie das nicht und sehen leider auch keine Notwendigkeit dazu. In einer von der Telekom-Stiftung beauftragten Umfrage fanden es 2020 noch nicht mal 25 Prozent der 10- bis 16-Jährigen wichtig, Inhalte in Fernsehen oder Internet beurteilen zu können. Das sind eindeutig zu wenig!
Was also ist zu tun? Bei der Stiftung haben wir uns entschieden, ein eigenes Projekt aufzusetzen, das Kinder und Jugendliche beim Erwerb von Nachrichten- und Quellenkompetenz unterstützt. Dafür haben die Universitäten Bochum und Dortmund Materialien für Multiplikatoren entwickelt. Mit deren Hilfe können Lehrkräfte, aber auch andere Lernbegleiter in Bibliotheken oder Jugendhäusern genau erklären, wie man Texte und Fotos prüft, Desinformationen entlarvt und richtige von falschen Experten unterscheidet.
Das Projekt – Qapito! heißt es– haben wir gerade auf der Tagung „Journalismus macht Schule“ vorgestellt, zu der wir gemeinsam mit Netzwerk Recherche nach Berlin eingeladen hatten. Rund 150 Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren dort und haben eine Vielzahl spannender Vorhaben und Initiativen kennengelernt, die sich dem Thema Nachrichten- und Quellenkompetenz verschrieben haben. Ich war selbst dabei und beeindruckt, was für tolle Angebote es bereits gibt.
Allen Akteuren, die sich im Thema engagieren, ist wichtig, dass junge Menschen mit dem Thema Desinformation in Berührung kommen und ihnen klar wird, dass sie bei vielen Nachrichten, Fotos oder Videos ganz genau hinschauen müssen. Sogar, wenn es um Mark Twain geht. Auf Facebook kursiert schon seit Jahren ein Foto des Schriftstellers, versehen mit folgendem Zitat: „Es ist einfacher, die Leute zu täuschen, als sie davon zu überzeugen, dass sie getäuscht wurden.“ Bloß hat Twain den Satz höchstwahrscheinlich niemals gesagt. Auch nicht geschrieben. Das ist jedenfalls bei einer Recherche des amerikanischen Faktencheck-Portals „Snopes“ herausgekommen. Bleibt zu hoffen, dass sich nicht auch das Zitat über die Lüge und die Wahrheit, mit dem ich meinen Beitrag begonnen habe, noch als Fake News herausstellen wird. Aber dann gilt: Man lernt nie aus. Was meinen Sie – können Sie immer sicher Fakten von Fake News unterscheiden?