„Gemeinsam führt es sich besser!“
Schulen brauchen Doppelspitzen, weil die Leitungen wegen ausufernder Verwaltung kaum noch zu ihrem Kerngeschäft kommen. Ein Meinungsbeitrag von Dr. Thomas de Maizière
Tausende Stellen in deutschen Schulleitungen sind derzeit unbesetzt. Einige meinen, man müsse den Beruf in erster Linie durch finanzielle Anreize attraktiver machen. Das reicht, glaube ich, nicht. Der Job der Schulleitung ist bei Lehrern und Lehrerinnen auch nicht wegen der Mehrarbeit per se unbeliebt – er ist unattraktiv, weil es sich häufig um nicht pädagogische Mehrarbeit handelt.
Eine Schule zu leiten ist eine wunderbare Aufgabe. Und ja, mehr Verantwortung muss gut bezahlt werden, besser als bisher. Aber wer in Schulen Führung übernimmt, tut dies in der Regel aus anderen Erwägungen: Er oder sie will die Qualität seiner Einrichtung verbessern; will neue Lernangebote schaffen, das Kollegium didaktisch weiterentwickeln, Ganztag und Inklusion gestalten. Was niemand will: Verwaltungschef sein!
Doch gerade wegen der ausufernden Verwaltungsarbeit fehlt Schulleitungen heute immer häufiger die Zeit, sich um das pädagogische Kerngeschäft zu kümmern. Stattdessen müssen Baumaßnahmen geplant, Vergabeverfahren gemanagt, Statistiken geführt, Laptops bestellt, Budgets verwaltet und Corona-Tests organisiert werden. Alles Aufgaben, für die sie nicht aus- und viel zu selten fortgebildet sind.
Soll der Beruf attraktiver werden, muss die Politik hier für Entlastung sorgen. Am besten, indem man der Schulleitung einen Verwaltungsprofi zur Seite stellt. Jede größere Schule würde dann von einer Doppelspitze geführt – auf Englisch dem Chief Educational Officer und dem Chief Operating Officer (in sehr großen Schulen könnte noch ein Chief Information Officer für die IT hinzukommen).
Andere Sozialunternehmen setzen bereits auf Doppelspitzen. Man denke an Krankenhäuser oder Alten- und Pflegeheime, wo die Chefärztin beziehungsweise der Pflegedienstleiter heute vielerorts die Unterstützung eines kaufmännischen Direktors genießt. Zugegeben, der Vergleich hinkt etwas, gilt in diesen Einrichtungen doch inzwischen Wirtschaftlichkeit als hohes, manchmal zu hohes Gut. Das ist in der Schule zum Glück anders. Dass jedoch Verwaltungsaufgaben Verwaltungsprofis brauchen, ist überall gleich.
Es gibt im Schulwesen aber ein Problem: Schulleiterinnen und Schulleiter werden vom jeweiligen Bundesland bezahlt, eine Schulsekretärin vom Schulträger, also der Kommune. Wer bezahlt die Verwaltungsleiterin und/oder den IT-Administrator? Wird dieser Dualismus nicht gelöst, wird vieles in Schulen nicht funktionieren: keine gute Verwaltung, kein gutes Ganztagskonzept, keine gute Integration von Buch und Computer. Privatschulen haben es da leichter. Tatsächlich gibt es in großen Privatschulen längst eine hochrangige Verwaltungsstelle, die die Schulleitungen entlastet.
Auch andere Länder sind uns einen Schritt voraus: In Großbritannien etwa beschäftigen die allermeisten weiterführenden Schulen neben dem Principal einen School Business Manager im Leitungsteam. In der Schweiz kennt man die Position des Adjunkts. Immerhin haben einige deutsche Bundesländer in den letzten Jahren nachgezogen und sogenannte Schulverwaltungsassistenzen eingestellt; Nordrhein-Westfalen macht das sogar schon seit 2007, während Baden-Württemberg gerade einen Modellversuch angekündigt hat.
Schulverwaltungsassistenzen – das ist zwar ein Schritt in die richtige Richtung, nach Leitungsjob klingt es indes nicht. Tatsächlich wünsche ich mir von Ländern und Kommunen echte Innovationsbereitschaft bei der Organisation von guter Schule. Aktuell wird ja vor allem über die Digitalisierung des Lehrens und Lernens diskutiert. Ich meine: Wir müssen Schule umfassender neu denken, und dazu gehört eben auch, Strukturen und Verantwortlichkeiten zu reformieren. Die Schulleitungen würden entlastet und könnten aufatmen. Und potenzielle Kandidaten hätten einen Grund mehr, sich neuen Herausforderungen zu stellen.
Dieser Beitrag ist zuerst in der ZEIT erschienen (Ausgabe vom 15. September 2022).