„KI muss an allen Schulen ankommen“

Künstliche Intelligenz (KI) ist aus dem Alltag und auch aus dem Bildungssystem nicht mehr wegzudenken. Die Technologie begegnet uns an vielen Stellen und auch in den Schulen hat sie längst Einzug gehalten – allein, weil Schülerinnen und Schüler schnell gelernt haben, Anwendungen wie ChatGPT für das eigene Lernen zu nutzen. Aber wo steht das deutsche Bildungssystem beim Thema KI genau und wie sehen Fachleute die weitere Entwicklung? Diese und viele weitere Fragen beantwortet der neue Trendmonitor KI in der Bildung. Der Überblick, den das mmb Institut und das Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) im Auftrag der Telekom-Stiftung künftig jährlich erstellen, soll vor allem Orientierung in der dynamischen Landschaft bieten. Stiftungsgeschäftsführer Jacob Chammon und die Projektleiter Professor Niels Pinkwart (DFKI) und Ulrich Schmid (mmb Institut) erläutern Einzelheiten.
Warum ist ein KI Trendmonitor notwendig?
Jacob Chammon: Kurze Antwort: Weil die Welt darauf gewartet hat. Nein, Spaß beiseite. Mein Spruch ist übertrieben, aber tatsächlich gibt es ein solches kontinuierliches Monitoring bisher nicht, sondern nur immer wieder einzelne Untersuchungen – einige davon ja auch von uns. Wichtig ist uns, dass wir das schnelllebige Thema KI laufend betrachten und dass die Untersuchung pädagogisch orientiert ist. Wir wollen Menschen in den Schulverwaltungen und vor allem auch in der Schulpraxis dabei unterstützen, KI-Angebote bewerten und dann auch Entscheidungen treffen zu können.
Niels Pinkwart: Unsere bisherigen Untersuchungen, die wir im Auftrag der Stiftung gemacht haben, sind nach wie vor sehr stark nachgefragt. Das zeigt, wie groß der Bedarf an Information in diesem Feld ist. KI ist wissenschaftlich ein Thema, das sich extrem stark entwickelt und hat deshalb für die Schulen eine immense Relevanz mit einer gleichzeitig unheimlich hohen Dynamik. Das macht es aus unserer Sicht notwendig, von den “One Shots” zu einem kontinuierlichen Monitor zu kommen, der über eine gewisse Zeit hinweg läuft.
Apropos Dynamik: Wie schafft es der Trendmonitor, mit dieser Dynamik Schritt zu halten?
Ulrich Schmid: Sehr gut, denn wir am mmb kennen das Instrument „Monitoring“ aus dem Bereich digitale Bildung, wo es auch gut funktioniert. Die Idee ist – wie Niels Pinkwart schon gesagt hat – weg zu kommen von Einzelstudien, die ein Feld aufarbeiten, aber in Teilen schon fast wieder veraltet sind, wenn sie veröffentlicht werden. Mit dem Trendmonitor werden wir ständig beobachten, was sich entwickelt. Wir befragen die Experten-Community regelmäßig, welche Trends sich abzeichnen, welche Bewertungen da sind und wo man wirklich hinschauen muss. In diesem Innovationsbereich herrscht so viel Dynamik, dass wir häufig mit Hypes konfrontiert sind, also mit Dingen, die sich vielleicht ein halbes Jahr später schon als nur vorübergehend entpuppen. Durch ein solches Monitoring können wir herausfinden, was längerfristig relevant ist.
Die Telekom-Stiftung hat sich mit der strategischen Neuausrichtung die Förderung von KI in der Bildung besonders auf die Fahne geschrieben. Warum?
Jacob Chammon: Weil wir überzeugt sind, dass KI – sinnvoll und verantwortungsvoll eingesetzt – die Qualität und Effizienz von Lehren, Lernen und Prüfen verbessern kann und, das ist mir ganz wichtig, schließlich auch zu mehr Bildungsgerechtigkeit führt, weil Kinder und Jugendliche viel individueller gefördert werden können. Wir sind seit einigen Jahren an diesem Thema dran – mit Projekten zu Themen wie Data Science und KI-gestützter Lerndiagnostik zum Beispiel – und daher wissen wir, dass die Landschaft noch viel Unterstützung braucht, wenn es um den Einsatz von KI geht. Diese Unterstützung wollen wir gern bieten. Ganz direkt über unsere Projekte, aber eben auch mit dem Trendmonitor, der vor allem Orientierung liefern soll.
Wie genau funktioniert das denn? Wie wird ein Trend ermittelt oder bewertet?
Ulrich Schmid: Ausgehend von einer kontinuierlichen Marktbeobachtung – welche bildungsrelevanten Technologien gibt es aktuell – überlegen wir uns Szenarien oder stellen eben auch Technologien zur Debatte. Wir bitten Expertinnen und Experten darum, einzelne Aspekte zu bewerten, einzuschätzen, in der Relevanz oder in der Problematik oder wir fragen sie, was aus ihrer Sicht besondere Potenziale oder Herausforderungen sind. Das hilft uns dabei, Einschätzungen oder Prognosen vorzunehmen und damit Bewertungs- und Entscheidungshilfen anzubieten.
Niels Pinkwart: Wir haben hier eine Möglichkeit, die wir an anderen Stellen nicht haben. Wir sind durch die laufende Marktbeobachtung und das kontinuierliche Technologiescreening sehr nah an der aktuellen Entwicklung. Und wir koppeln das permanent mit dem System Schule und den pädagogisch-didaktischen Anforderungen dort zurück. Ziel ist es, so beim Thema KI vor die Welle zu kommen, anstatt der dynamischen Entwicklung immer nur hinterher zu laufen.
Zusätzlich zum Trendmonitor wird es über das Jahr verteilt noch zusätzliche Veröffentlichungen zu ausgewählten Fragestellungen - so genannte Deep Dives - geben. Was ist das genau?
Niels Pinkwart: Das Thema KI hat ja vielfältige Aspekte und Auswirkungen – technologische, aber auch pädagogische, organisatorische, ethische, um nur einige zu nennen. Mit den Deep Dives können wir diese und weitere Aspekte vertiefen, uns dann aus der Dynamik kurz ausklinken und parallel eine Fragestellung für eine gewisse Zeit intensiver beleuchten.
Während wir mit dem Trendmonitor Zeitreihen aufbauen wollen und dafür eine sich wiederholende und kontinuierliche Methodik nutzen, gehen wir bei den Deep Dives anders vor. Es hat sich in der Konzeption schnell herausgestellt, dass man außerhalb des Monitorings noch weitere interessante Fragestellungen hat, die einen anderen methodischen Zugang brauchen, zum Beispiel über Gespräche mit Stakeholdern oder vertiefte Literaturstudien. Das funktioniert dann über die Methodik des Monitorings allein nicht.
Können Sie schon Beispiele für solche Deep Dives nennen?
Ulrich Schmid: Für dieses Jahr haben wir uns zwei Themen vorgenommen: Das ist das Feld „Lernanwendungen für den MINT-Bereich“ und das sind die bereits existierenden Regelwerke zum Thema Künstliche Intelligenz an Schulen. Bei beiden Themen geht es wesentlich um eine Recherche dazu, was es schon gibt und dann eine Analyse der Ergebnisse. Wir haben es eben schon angesprochen: Wichtig ist uns auch hier, Orientierung zu bieten und Grundlagen zu schaffen, auf denen Nutzer dann Bewertungen vornehmen und Entscheidungen treffen können.
Wir haben schon viel über die Nutzer beziehungsweise Zielgruppen gesprochen. Wer hat was vom Trendmonitor und den Deep Dives?
Ulrich Schmid: Eigentlich alle, die in diesem extrem disruptiven Innovationsfeld Orientierung und Unterstützung brauchen. Das können diejenigen sein, die darüber entscheiden, welche Technologien an Schulen eingesetzt und angeschafft werden, aber auch die, die Fort- und Weiterbildung von Lehrkräften organisieren. Und die Lehrkräfte selbst, die einen Überblick darüber brauchen, was für den Unterricht mit KI überhaupt am Markt ist.
Niels Pinkwart: Mir ist wichtig zu betonen, dass wir weder im Monitor noch in den Deep Dives hochwissenschaftliche Artikel schreiben. Die Inhalte sollen für Praktiker gut verständlich sein. Für mich geht es insgesamt um Forschungstransfer auf einem sehr wissenschaftlich aktuellen Niveau, aber in einer Sprache und in einer Darstellung, die für alle Akteure im Bereich Schule verständlich, handlungsleitend und orientierend sind.
Jacob Chammon: Das finde ich toll und möchte ich unterstreichen. Unser Anspruch bei der Telekom-Stiftung ist es, den unterschiedlichen Zielgruppen ganz konkrete Unterstützung zu bieten. Ich komme aus der Praxis und weiß daher, wie wichtig das vor allem auch für Lehrkräfte und Leitungen ist. Vielleicht kommen wir auch zu dem Schluss, dass der Trendmonitor und die Deep Dives als Publikationen allein nicht reichen und wir noch zusätzlich Online-Formate oder andere Instrumente brauchen. Ich bin offen dafür. Hauptsache, wir können praxistaugliche Hilfen rund um das Zukunftsthema KI bieten. KI muss an allen Schulen in Deutschland ankommen!
Weitere Informationen zum „Trendmonitor KI in der Bildung“ gibt es auf dieser Seite.