Neue SINUS-Studie: Fehlender Alltagsbezug macht MINT-Fächer unbeliebt
Deutsche Telekom Stiftung veröffentlicht neue Sinus-Untersuchung zur MINT-Motivation von Kindern und Jugendlichen – MINT-Fächer eher unbeliebter als andere – Mathematik polarisiert am stärksten – Schülerinnen und Schüler vermissen Alltagsbezug – Lehrkraft entscheidend für die Affinität zu einem Fach – 76 Prozent der jungen Menschen gehen gern zur Schule
Bonn: Wichtig fürs Leben, spannend und von der Lehrkraft gut erklärt – so empfinden leider nur die wenigsten Schülerinnen und Schüler die MINT-Fächer Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik. Mathematik schneidet dabei am schlechtesten ab, denn vor allem hier fehlt den jungen Menschen der Alltagsbezug und ist die Sorge am größten, im Unterricht den Anschluss zu verpassen und damit den gesamten Schulerfolg zu gefährden. Das Resultat: Mathematik ist zwar kein „Angstfach“, aber wie die meisten anderen MINT-Fächer im Vergleich zu Sport, Sprachen oder Gesellschaftswissenschaften eher unbeliebt. Das sind die Ergebnisse einer Umfrage, die das SINUS-Institut im Auftrag der Deutsche Telekom Stiftung unter 10- bis 16-Jährigen durchgeführt hat. In der Untersuchung wird deutlich, dass Kinder und Jugendliche MINT-Unterricht vor allem dann gut finden, wenn sie selbst experimentieren dürfen, der praktische Bezug zum Alltag oder einem Berufswunsch klar wird und wenn die Lehrerin oder der Lehrer selbst vom Fach begeistert ist und gut erklären kann. Grundsätzlich gehen drei Viertel der befragten 10- bis 16-Jährigen gern zur Schule – vor allem, weil sie dort ihren Freundeskreis treffen und in eine soziale Gemeinschaft eingebunden sind. Beklagt werden allerdings auch hoher Zeitdruck durch eine große Stofffülle und ein mitunter anstrengendes Lernklima durch Mitschülerinnen und Mitschüler, die den Unterricht und damit die eigene Konzentration stören.
Mit Blick auf die Beliebtheit der MINT-Fächer ist für viele der Befragten nicht ausschlaggebend, ob sie in einem Fach nach eigener Einschätzung gut unterwegs sind. In Mathematik halten sich beispielsweise 78 Prozent der Schülerinnen und Schüler auf einer vierstufigen Skala für „sehr gut“ oder „gut“ in Mathe. Gefragt, ob sie das Fach auch mögen, bejahen das nur noch 36 Prozent. Und lediglich 29 Prozent können sich vorstellen, einen Beruf zu ergreifen, in dem Mathematik eine große Rolle spielt. Am besten fällt das Urteil im Fach Technik aus: 85 Prozent schätzen sich selbst als „sehr gut“ oder „gut“ ein. 54 Prozent mögen das Fach und 49 Prozent können sich vorstellen, beruflich etwas mit Technik zu machen. Und auch wenn Fächer themenübergreifend vermittelt werden wie Naturwissenschaften und Sachunterricht, sind sie bei Kindern und Jugendlichen tendenziell beliebter. Jeweils 50 Prozent der Befragten geben an, diese Fächer zu mögen.
„Für uns ist die große Diskrepanz zwischen Können, Mögen und Machen eine der zentralen Erkenntnisse der Befragung“, macht Jacob Chammon, Geschäftsführer der Telekom-Stiftung, deutlich. „Dieses Thema müssen wir dringend anpacken, wenn es darum geht, mehr junge Menschen in der Schule für MINT zu begeistern. Es muss uns gelingen, mit ansprechendem, zielgruppenorientiertem Unterricht die Schwelle vom Können zum Mögen zu schaffen. Nur dann werden die jungen Menschen auch das Machen überhaupt in Betracht ziehen.“
Das SINUS-Team unter Leitung von Dr. Silke Borgstedt hat aus den Aussagen der Kinder und Jugendlichen vier Treiber identifiziert, die positiven Einfluss auf die MINT-Motivation haben können: die Lehrkräfte, den Faktor Zeit, den Alltagsbezug und die Möglichkeit, in Themen stärker einzutauchen. „Nichts entscheidet über die Motivation in einem Fach so sehr wie die Lehrkraft“, so Silke Borgstedt, Geschäftsführerin des SINUS-Instituts. „Die Lehrkräfte gestalten die Arbeitsatmosphäre in der Klasse. Besonders positiv bewerten Schülerinnen und Schüler ihre Lehrerinnen und Lehrer, wenn diese freundliche Autorität ausstrahlen, Humor zeigen und gut erklären können. Ein ganz zentraler Beurteilungsaspekt ist auch, dass Lehrkräfte offen für Fragen sind. Das ist der Schlüssel für den Aufbau von Vertrauen und erfolgreichen Wissenstransfer.“
Viele der Befragten wünschen sich gerade in den MINT-Fächern mehr Zeit, um die als komplex empfundenen Inhalte verstehen zu können. Dazu gehört auch die Möglichkeit, nachfragen zu können. Gerade in Mathematik sehen viele Kinder und Jugendliche ein Problem darin, dass die Inhalte aufeinander aufbauen und haben die Befürchtung, den Anschluss zu verlieren und auch in Fächern wie Chemie oder Physik nicht mehr mitzukommen. Mehr Zeit und Raum wünschen sich die Schülerinnen und Schüler zudem, um in bestimmte Aspekte tiefer eintauchen zu können.
Für die Studie wurden zwischen August und Oktober 2024 über 40 qualitative Interviews bei Kindern und Jugendlichen zuhause und eine quantitative Befragung mit 863 Kindern und Jugendlichen durchgeführt, die repräsentativ für die 10-16-Jährigen in Deutschland ist.
Alle Ergebnisse der Umfrage sind unter diesem Link verfügbar.